28.11.2012

Konsens ohne Veto?
– Ich glaube es hackt!

In letzter Zeit haben wir uns einige Gedanken zum Thema Konsens und Entscheidungsfindung gemacht. Viele von uns sind es gewohnt, in Gruppen nach dem Konsensprinzip (ausführlicher auf englisch) zu entscheiden (super Buch dazu ist „Konsens – Handbuch der gewaltfreien Entscheidungsfindung“). Im Grundsatz heißt das, aus den Bedürfnissen der Beteiligten gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Meistens braucht es dafür zwar ein etwas strukturiertes Vorgehen (siehe Bild), durch den geübten Prozess des gemeinsamen Überlegens entsteht aber in vielen Fällen recht automatisch eine einstimmige Lösung. Die größte Hürde ist oft, selbst zu wissen was ich eigentlich brauche und will.

Konsensfisch

Was passiert aber bei größerer Uneinigkeit?

Eine klassische Antwort ist: allen ein Vetorecht zu geben. Das hat sehr viele Vorteile (wie den Schutz von Minderheiten oder den starken Anreiz kooperativ Lösungen zu finden), aber auch einige wesentliche Nachteile (wie die Möglichkeit einzelner oder weniger die Gruppe zu dominieren oder der Tendenz den Status quo zu erhalten). Abgemildert wird das Ganze gerne mit der „Konsens-minus Eins“-Regelung.

Es stellt sich also die Frage, wie die Bewertungsphase im ohnehin kooperativen Konsensverfahren gestaltet werden kann, wenn sich keine unkomplizierte Einstimmigkeit einstellt und auf ein Vetorecht verzichtet werden soll.

Was fehlt ist ja im Grunde eine Notfall-Option, ein abschließendes, von allen akzeptiertes Bewertungsverfahren, mit dem sich eine Lösung unter den Vorschlägen herausfiltern lässt (wobei einer der Vorschläge „So-lassen-wie-es-ist“ sein kann). Wissenschaftlich heißt das: „Aggregation individueller Präferenzen zu einer kollektiven Präferenz“ und nennt sich Sozialwahltheorie. Zwei zentrale Aussagen dieser sind: das perfekte Verfahren zu finden ist nicht ganz einfach und unter gewissen Voraussetzungen unmöglich und eines der schlechtesten Verfahren ist die Mehrheitsentscheidung. Es gibt aber ein Verfahren das ziemlich optimal ist: die Bewertungswahl (ausführlicher englisch). Das heißt, jede_r bewertet jeden Vorschlag auf einer Skala (z.B. 0 bis 10). Der Vorschlag mit der höchsten zusammengezählten Beliebtheit gewinnt.

Was heißt das jetzt konkret für uns?

Neunzig Prozent der Konsens-Entscheidungen werden sowieso weiterhin – nach kurzer oder längerer Diskussion – einstimmig entschieden werden. Für die Fälle in denen die Gruppenmeinung nicht so eindeutig ist (in der Vergangenheit waren das z.B. kreative Entscheidungen wie Logo und Name), wollen wir die vetolose Bewertungswahl ausprobieren.

Dabei soll es mindestens zwei Bewertungsdurchgänge geben. Nach dem ersten Durchgang kann mensch die Urteile der anderen sehen und es bietet sich an, die Bedenken hinter negativen und sehr polarisierten Bewertungen anzuhören. Für einen weiteren Durchgang können dann noch weitere (und oft bessere) Lösungsideen hinzugefügt werden. Es gewinnt die Lösung, die auf den geringsten Widerstand in der Gruppe stößt.

– Sebastian –